Die Entschleunigung zieht ihre Kreise…
Meinungen, Informationen, interessante Aspekte – all das findet sich in dieser Sammlung rund um das Thema Slow Life.
Unser Anliegen ist es, die Slow Life Bewegung in ihrer Vielfalt abzulichten.
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Slow Journalism
Slow Journalism, auch Grüner Journalismus oder Deep Journalism genannt, ist für sich gesehen nichts Neues. Er beruft sich u. a. auf alte Journalisten-Tugenden, Themen längerfristig und aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. Nicht laut, schnell und viel soll die Devise sein, sondern richtig und informativ. Es sollen die tatsächlich relevanten Ereignisse herausgefiltert werden, um sich dann den Geschichten zuzuwenden, „nachdem sich der Staub gelegt hat“, um den Journalisten Rob Orchard zu zitieren.
Mit ihm teilen mehr und mehr Journalisten die Unzufriedenheit mit der Nachrichten-Industrie bis hin zu ihren eigenen Arbeitsbedingungen. Schon 1992 hielt Neil Postman sein Plädoyer „Wir informieren uns zu Tode“. Die Nachrichten-Explosionen heutiger Zeit hat die Zustände von damals bereits vielfach überboten.
Die Technologie, die eine neue Taktung an Nachrichten ermöglichte, ist eine Ursache. Oder ist es Publikum, das immer mehr Nachrichten verlangt und damit überhaupt erst den Anstoß für entsprechende Technologien gab? Sind wir nachrichtengierig oder gar – süchtig geworden? Zwingen wir Leser die Schreibenden? Können wir als Leser oder Publikum nicht mehr mit Pausen, nachdenken, differenzieren oder schweigen umgehen?

Doch was eine „Nachricht“ in heutiger – oder auch ursprünglicher – Sicht ist, darüber, und damit auch um den Veröffentlichkeitswert, kann mit Fug und Recht gestritten werden. Ja, muss gestritten werden, wenn das Nachrichten-Stakkato, wie es Marcus Theurer 2018 in der FAZ benannt hat, beendet werden soll. Wenn der Unterschied zwischen Nachricht und Meinung wieder deutlich hervortreten, die Menge und Taktung auf ein erträgliches Maß eingehegt werden und Überschriften ihren Krawall-Charakter verlieren sollen.
Tagtäglich werden in den Medien, die von Journalisten/Journalistinnen bedient werden, unübersehbar und unüberhörbar, Erregungskurven hochgehalten oder gleich die Explosion geliefert. Sicher, es gibt Menschen außerhalb von Redaktionen, die das für sich zu nutzen wissen, wie es u. a. Politikern und Menschen aus der Glamourwelt nachgesagt wird.
Es scheint ein schier endloser Kampf um Aufmerksamkeit ausgebrochen zu sein, der mit harten Bandagen ausgetragen wird, ein Kampf darum, der erste zu sein – und ein Kampf ums Geld. Nicht umsonst sprechen wir von einer Nachrichten-Industrie. Die Journalistin, Alice Geraud, berichtet in einer Sendung auf Arte (Slow Life 1-10) u. a. folgendes: „Das Internet ist ein kostenloses Modell. Da bedeutet, es wird Werbung geschaltet. Die Artikel MÜSSEN (Hervorhebung durch Autorin) gelesen und zahlreich sein. Es zählt vor allem die Masse. Man muss so viel Artikel wie möglich schreiben. Man hat weniger Zeit und mehr Arbeit. Ich muss nicht erklären, dass das im totalen Widerspruch zu gründlicher Recherche, Schreibstil und einem ordentlichen Lektorat steht. Man schreibt permanent neue Artikel und Reportagen über alles Mögliche.“
Sie fährt fort: „Ein anderes Problem der Journalisten ist, dass wir seit längerem von der Werbebranche kannibalisiert werden. Wir sind die Sklaven eines Storytellings, dass uns meist durch Werbeexperten auferlegt wurde. Eine Arbeitsweise, die uns keine Zeit mehr lässt.“
Durch diesen Nachrichtenwettlauf bildete sich ein eigener Journalismus-Stil heraus, der sogenannte „Reaktionsjournalismus“. Die Slow-Media-Bewegung steht für andere Grundsätze. Das Stichwort lautet: mediale Entschleunigung.
Der Slow Journalism versteht sich als Reaktion auf den "Häppchenjournalismus", wie es der Journalist, Rob Orchard, formulierte. Er gründete bereits 2011 zusammen mit zwei ebenso erfahrenen britischen Kolleginnen das Slow-Journalism-Magazin mit dem Namen "Delayed Gratification". Es geht letztendlich auch hier um die Frage: Wie kann man Kurzfristiges in einen langfristigen Kontext einbetten? Es gibt noch andere Versuche, die Nachrichtenwelt zu beruhigen. Katie Vanneck-Smith gehört zu den drei Tortoise-Gründern. Tortoise bedeutet Schildkröte und wurde als Logo für das Medien-Start-up aus London gewählt. Die Journalisten/Journalistinnen waren auch hier der schieren Informationsflut müde und beschreiben sie als nicht mehr zu bewältigen. Ihr Motto lautet übrigens „Mach langsam und werde klug.“ (Slow down, wise up)
Auch Universitäten beschäftigen sich mit diesen Fragen. Etwa Jane Singer, Professorin für „Innovativen Journalismus“ an der Londoner City University, deren Schwerpunkt auf Innovationen im Journalismus liegen. Oder Kim Anderson, Assistenzprofessor im Bereich Journalismus an der University of Southern Denmark.
Es ist jedoch nicht mit dem Hinweis getan, dass ja jeder aufhören könne, Nachrichten zu konsumieren, wenn er wolle. Das ist sehr eng gedacht, denn es steht damit auch immer der Rückzug ins Unpolitische im Raum. Es stimmt jedoch: wir tragen als Leserinnen und Leser unseren Teil der Verantwortung um eine gute Informations-Balance zu erlangen.
Schlussendlich berührt ein Slow Journalism die Sehnsucht sowohl der Schreibenden als auch der Lesenden – und diese Sehnsucht wächst stetig und deutlich.
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